Interview: Erfolgreicher Weg zur Nachqualifizierung – den Mut haben, anzufangen
Interview: Im Blickpunkt Externenprüfung
Erfolgreicher Weg zur Nachqualifizierung – den Mut haben, anzufangen
Die Arbeitswelt des Handwerks verändert sich durch Digitalisierung, andauernden Fachkräftemangel und steigende Qualifikationsanforderungen rasant – umso wichtiger ist die Unterstützung des Erwerbs einer soliden Berufsausbildung für an- und ungelernte Personen.
Herr Bagouzi ist ausgebildeter Gebäudereiniger und machte sich vor einigen Jahren mit einer eigenen Firma selbständig. Vorher war er viele Jahre ohne formale Berufsausbildung erwerbstätig. Über seinen beruflichen Werdegang bis hin zum nachgeholten Berufsabschluss hat er im Interview mit der Landesagentur für berufliche Weiterbildung (LabeW) gesprochen.
LabeW: Herr Bagouzi, Sie haben vor gut zwei Jahren Ihre Abschlussprüfung erfolgreich bestanden. Wie dürfen Sie sich seither offiziell nennen?
Bagouzi: Ich bin gelernter Glas- und Gebäudereiniger. Zudem arbeite ich als Selbständiger.
LabeW: Schon lange vor Ihrem nachgeholten Berufsabschluss waren Sie berufstätig. und hatten Ihre Erfahrungen gesammelt. Können Sie hier ein wenig ausholen und von dieser Zeit berichten?
Bagouzi: Seit meiner Ankunft in Deutschland hatte ich mich in vielen verschiedenen Berufen ausprobiert. 2006 fing ich im Bereich Gebäudereinigung als einfache Arbeitskraft bei einer Firma an. Schon nach kurzer Zeit fand ich Gefallen an dieser Tätigkeit. Dabei bedeutet Gebäudereinigung viel mehr als „einen Boden zu wischen“ – hierzu gehören unter anderem die Glas-, Teppich- und Grundreinigung. Ich habe diese Arbeit auch als Hobby betrachtet, d. h. auch in der Freizeit beschäftigte ich mich hiermit. Schon damals wollte ich eine Ausbildung nachholen und habe es dann wegen unterschiedlicher Gründe, wie meines mittleren Alters, der Hürde einer Umschulung oder der Unvereinbarkeit mit einer Vollzeitstelle, erst einmal nicht getan. Ich dachte damals: „Jetzt geht’s noch nicht, aber die Chance wird irgendwann schon kommen“. Im Jahr 2009 gründete ich meine Firma und arbeitete nebenbei als Angestellter. Ich konnte nicht komplett in die Selbständigkeit gehen – dies war finanziell noch zu riskant.
LabeW: Wann kam der Zeitpunkt fürs Nachholen?
Bagouzi: Ich hatte nicht das Know-how, der Kundschaft zu erklären, wie sich ein Reinigungsmittel auf einem speziellen Boden verhält, aus was sich Reinigungsmittel zusammensetzen, welche Rolle chemische Verbindungen spielen und wie sich einzelne Komponenten in Reinigungsmitteln z. B. auf Oberflächen verhalten.
Auf Fragen der Kunden konnte ich nicht mit Fachbegriffen antworten, wusste aber genau, was ich in der Praxis zu tun hatte. Da wusste ich, dass da was fehlt und da kam auch der Entschluss, meinen Berufsabschluss nachzuholen.
LabeW: Gab es noch weitere Antreiber?
Bagouzi: Bevor es mit dem Nachholen losging, bin ich bei meinem letzten Arbeitgeber (2018) als Objektleiter für Gebäudereinigung aufgestiegen. Mein Engagement und mein Interesse an dieser Arbeit haben mich in diese Position gebracht. Dort gab es einen Kollegen, der mir erzählte: „Du, es gibt da ein Verfahren, eine Chance, dass du extern deinen Abschluss nachholst“.
LabeW: Wie ging es dann weiter?
Bagouzi: Meine Frau und ich haben im Internet recherchiert und uns informiert. Wir haben die NQE-Website gefunden und daraufhin habe ich einen Termin zur NQE-Beratung vereinbart. Ich bin hingegangen und wurde über die Voraussetzungen informiert, die erfüllt sein mussten, um an dieser Externenprüfung teilzunehmen.
LabeW: Die da waren?
Bagouzi: Nachgewiesene berufliche Erfahrungen, dann Kompetenzen die benötigt wurden für das Bestehen der Prüfungsinhalte. Alles, was fehlte, gab es dann in dem Vorbereitungskurs der Handwerkskammer.
LabeW: Gab es dann noch Zweifel für diesen Weg zur Externenprüfung?
Bagouzi: Nein, ich habe nach der Beratung schnell reagiert und alle benötigten Unterlagen gemeinsam mit der NQE-Beraterin zusammengestellt. Und sobald ich ein Gefühl der Unsicherheit verspürte, gab es Unterstützung durch die Beraterin. Die Begleitung, beruflich als auch menschlich, war sehr motivierend. Es gab auch finanzielle Hilfe: Für die Prüfung und den Vorbereitungskurs erhielt ich von der NQE-Stelle sogenannte Weiterbildungschecks – dadurch wurden 50 Prozent der Kosten übernommen und für den Rest kam ich auf.
LabeW: Kommen wir zu den Vorbereitungskursen, wie liefen diese ab?
Bagouzi: Sie wurden im Kompetenzzentrum Handwerk durchgeführt und fanden 14-täglich an zwei Tagen, berufsbegleitend mit komprimiertem Lernstoff, statt. Dabei entsprach der Schwierigkeitsgrad der Externenprüfung dem der ganz regulären Abschlussprüfung. Die Vorbereitung dauerte sechs Monate.
LabeW: Wie waren die Ausbilder*innen des Vorbereitungskurses?
Bagouzi: Die waren super, mit Meistertitel und hochqualifiziert. Die haben gesehen, dass wir interessiert, konzentriert und aufmerksam waren. Das wiederum trug dazu bei, dass die Kursleitenden ihr Wissen gezielt und schnell an uns weitergeben konnten. Sämtliche Lücken, wie bei mir in Mathe, wurden behoben. Es wurde sehr verständlich erklärt und wir wurden dort abgeholt, wo wir gerade mit unserem Wissen standen. Auch wurden wir zwischenzeitlich getestet – im Unterricht, über Hausaufgaben und wir haben uns gegenseitig Feedback gegeben. Sehr geholfen hat mir auch die Wertschätzung – ich war in dieser Gruppe der einzige Ausländer mit sprachlichen Lücken. Ich musste oftmals bestimmte Ausdrücke im Wörterbuch nachschlagen. Das hat niemanden gestört.
LabeW: Wie war Ihre Gruppe?
Bagouzi: Wir waren elf Auszubildende, alle motiviert und wir haben dann auch alle die Prüfung bestanden. Ich habe jeden Abend für eine Stunde gelernt. Das war alles machbar.
LabeW: Wie lief die Prüfungsphase ab?
Bagouzi: Wir hatten einen ganzen Tag lang theoretische Prüfungen in unterschiedlichen Fächern und dann einige Wochen später noch die zweitägige praktische Prüfung. Alles fand vor Ort in der Berufsschule in Oslebshausen statt.
LabeW: Was würden Sie sagen, braucht man, um die Prüfung zu bestehen?
Bagouzi: Vernünftiges Lernen, an der Vorbereitung teilnehmen und nicht aufgeben.
LabeW: Was war die größte Herausforderung?
Bagouzi: Die sprachlichen Barrieren, die mich wiederum zu viel Zeit kosteten bei der Beantwortung der Aufgaben: Ich bin zweisprachig aufgewachsen – mit Arabisch und Französisch. Die deutschen Prüfungstexte musste ich daher erst einmal in eine meiner Muttersprachen übersetzen.
LabeW: Als Sie Ihr Zeugnis dann hatten, was ging Ihnen da durch den Kopf?
Bagouzi: Ich war erleichtert und die Zeit ging recht schnell vorbei. Ich konnte es nicht so richtig glauben – alle haben gratuliert und ich hielt einfach den Gesellenbrief in den Händen
LabeW: Was hat sich nun für Sie verändert?
Bagouzi: Viel. Ich habe mehr Selbstvertrauen und vor allem das Wissen, das mir so lange gefehlt hatte. Auch könnte ich als Angestellter nun mehr verdienen, wenn ich dies wollte. Ich habe eine Sicherheit in diese Richtung, falls ich mal die Selbständigkeit aufgeben würde.
LabeW: Wechseln wir in die Zukunft. Wie soll es weitergehen?
Bagouzi: Mein nächstes Ziel: einen Ausbilderschein zu erlangen. Ich möchte anderen beibringen, was ich nun an Wissen und Erfahrung in all den Jahren erlangt hatte. Vielleicht auch später meinen Meister machen, trotz Selbständigkeit.
LabeW: Was für Tipps können Sie denen mitgeben, die auch ohne Berufsausbildung dastehen?
Bagouzi: Holt den Abschluss nach. Es gibt keine negative Seite. Mit dem Gesellenbrief öffnen sich Türen und Ihr steht nicht alleine da. Es gibt Unterstützung.
LabeW: Herr Bagouzi, wir danken für dieses Gespräch!